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Paraneoplastische und Autoimmunencephalitis


Nachgewiesen wurden verschiedene Typen von Encephalitis, denen ein immunologischer Prozess zu Grunde liegt. Unterschieden werden zwei Hauptgruppen:

  • Paraneoplastische Encephalitis
  • Autoimmunencephalitis

Die paraneoplastische Encephalitis kommt vorwiegend bei Frauen und Kindern vor. Der häufigste assoziierte Tumor ist ein Ovarialteratom. Die paraneoplastische Encephalitis kann jedoch auch bei sonstigen malignen Erkrankungen vorkommen und betrifft entsprechend auch Männer und Menschen im mittleren oder höheren Alter.

 

Bei Fehlen einer Assoziation mit einem malignen Prozess wird das Krankheitsbild als „Autoimmunencephalitis“ bezeichnet. Die häufigste Form ist die anti-NMDA Rezeptor Encephalitis. Jedoch wurden auch zahlreiche sonstige Antikörper gegen neuronale Zelloberflächenproteine und synaptische Proteine nachgewiesen.

 

Die paraneoplastische Encephalitis kann durch frühzeitige Behandlung (Tumorentfernung, immunmodulatorische Behandlung) gut beherrscht werden. Auch die Autoimmunencephalitis (ohne Tumorgeschehen) spricht auf eine Immunmodulation oft gut an.

 

Im Folgenden wird anhand der Anti-NMDA Rezeptor Encephalitis als häufigste Autoimmunencephalitis das Krankheitsbild dargestellt.

 

Diagnostische Kriterien:

  • Passendes klinisches Krankheitsbild
  • Pathologisches EEG oder pathologischer Liquor (Pleozytose, oligoklonale Banden)
  • MRT- und PET-Auffälligkeiten
  • NMDA Rezeptor IgG Antikörper im Serum oder Liquor (73)
  • Differentialdiagnostischer Ausschluss anderer Krankheiten als Ursache der neurologischen Störung

Bei Fehlen von NMDA Rezeptor AK gilt die Diagnose als wahrscheinlich, bei Nachweis von Antikörpern als gesichert. 

 

Klinische Manifestationen:

  • Rasche Krankheitsentwicklung
  • Psychiatrische Störung und kognitive Dysfunktion
  • Sprechstörung
  • Cerebrale Anfälle
  • Bewegungsstörung, Dyskinesien oder Rigor / abnorme Haltung
  • Bewusstseinstrübung

Autonome Dysfunktion oder zentrale Hypoventilation

 

Von den genannten sechs Symptomgruppen müssen mindestens vier vorliegen. Die Krankheitsentwicklung beträgt weniger als drei Monate.

 

Das MRT ist oft unauffällig oder zeigt (vorübergehend) regionale Hyperintensität oder Kontrastmittelanreicherungen (50, 61, 125). Im PET ist ein erhöhter Glukosemetabolismus erkennbar mit ansteigendem Gradient von frontal nach occipital (72).

 

Das EEG zeigt epileptische oder Thetawellen, insbesondere über dem Temporallappen.

 

Im Liquor sind oft Pleozytose und oligoklonale Banden nachweisbar.

 

Neuronale Antikörper sind bei Auftreten neurologischer Symptome in der Regel nachweisbar. Die meisten Patienten weisen auch intrathekale Antikörper auf (76).

 

Differentialdiagnose der Autoimmunencephalitis (7, 64, 55):

  • Psychosen
  • Bakterielle Encephalitis u.a. Lyme-Borreliose, Bartonellose
  • Virale Encephalitis
  • Vaskuläre Erkrankungen
  • Maligne Erkrankungen
  • Toxische Einflüsse (Alkohol, Neuroleptika)
  • Demyelinisierende Erkrankungen
    (MS, NMO, ADEM, Neurosarkoidose)
  • Neurodegenerative Erkrankungen

Die Behandlung der Autoimmunencephalitis ist oft erfolgreich. Unter der Annahme, dass die assoziierten Antikörper eine pathogenetische Wirkung besitzen, wird immunmodulatorisch behandelt. Evidenzbasierte Studien zur immunsuppressiven Behandlung liegen allerdings nicht vor.

 

Die Prognose bei der Autoimmunencephalitis ist sehr variabel und reicht von einer kompletten Remission bis zu Therapieversagern. Eine Verzögerung bei Diagnose und immunsuppressiver Behandlung impliziert eine schlechtere Prognose und eine erhöhte Neigung zu Rückfällen.

 

 

Orientierende Literaturübersicht

 

Im Folgenden werden die wesentlichen Daten zur Autoimmunencephalitis epikritisch dargestellt und die zu Grunde gelegte Literatur im Literaturverzeichnis angegeben.

 

Die Encephalitis mit AK gegen NMDA Rezeptor (AK gegen NR1-NR2) wurde 2007 erstmalig beschrieben (1). Die Krankheit betrifft Kinder und Jugendliche, kann erfolgreich behandelt werden, neigt jedoch zu Rezidiven. Bei Frauen Assoziation mit ovariellem Teratom bekannt. Immuntherapie mit Kortikoiden, Immunglobulinen, Plasmapherese, Zyklophosphamiden oder Rituximab. 75% der Patienten zeigen eine wesentliche Besserung mit Absinken der AK-Titer. Pharmakologische und kinetische Studien mit Schädigung des NMDAR legen nahe, dass die Antikörper wahrscheinlich eine pathogenetische Bedeutung haben (1).

 

Die Autoimmunencephalitis stellt eine medizinische Notfallsituation dar. Die Krankheit erfährt zunehmende Beachtung im Rahmen einer nicht infektiösen Encephalitis, die gut auf immunsuppressive Behandlung anspricht. Differentialdiagnostisch ist sie im Hinblick auf eine infektiöse Encephalitis von erheblicher Bedeutung (2).

 

In einer Studie an 111 Kindern mit Encephalitis (zeigten 48 keine Antikörper). Auf der klinischen Basis wurde eine Autoimmunencephalitis als wahrscheinlich eingestuft. Bei 44% der Patienten waren keine Antikörper nachweisbar. Die Symptomatik war bei Antikörper-positiven und –negativen Patienten gleich. 52% der Patienten zeigten eine komplette Remission, ohne Immunsuppression zeigten 28% der Patienten eine vollkommene Remission (54).

 

 

Bei 100 Patienten mit Encephalitis und NR1-NR2 AK wiesen 59% ein ovarielles Teratom auf. Die Pathogenese der Anti-NMDA-Rezeptor Encephalitis scheint durch Antikörper vermittelt zu werden (3).

 

 

Die Anti-NMDA Rezeptor Encephalitis ist bei Frauen oft mit einem ovariellen Teratom assoziiert. Bei Männern und Kindern ist ein Malignom im Zusammenhang mit einer Autoimmunencephalitis selten. Bei der Anti-NMDA-R Encephalitis handelt es sich um eine schwerwiegende, jedoch therapierbare Krankheit. Die Diagnostik stützt sich auf die klinischen Manifestationen und den Nachweis von NMDA-R AK (4).

 

Literaturverzeichnis

 

(1) Dalmau J, Lancaster E, Martinez-Hernandez E, Rosenfeld MR, Balice-Gordon R. Clinical experience and laboratory investigations in patients with anti-NMDAR encephalitis. Lancet Neurol 2011; 10(1):63-74.
(2) Wingfield T, McHugh C, Vas A, Richardson A, Wilkins E, Bonington A, Varma A. Autoimmune encephalitis: a case series and comprehensive review of the literature. QJM 2011; 104(11):921-31.
(3) Dalmau J, Gleichman AJ, Hughes EG, Rossi JE, Peng X, Lai M, Dessain SK, Rosenfeld MR, Balice-Gordon R, Lynch DR. Anti-NMDA-receptor encephalitis: case series and analysis of the effects of antibodies.
(4) Florance-Ryan N, Dalmau J. Update on anti-N-methyl-D-aspartate receptor encephalitis in children and adolescents. Curr Opin Pediatr 2010; 22(6):739-44.
(73) Prüss H, Dalmau, J, Harms L, et al. Retrospective analysis of NMDA receptor antibodies in encephalitis of unknown origin. Neurology 2010; 75:1735.
(50) Dalmau J, Gleichman AJ, Hughes EG, et al. Anti-NMDA-receptor encephalitis: case series and analysis of the effects of antibodies. Lancet Neurol 2008; 7:1091.
(61) Florance NR, Davis RL, Lam C, et al. Anit-N-methyl-D-aspartate receprot (NMDAR) encephalitis in children and adolescents. Ann Neurol 2009; 66:11.
(72) Leypoldt F, Buchert R, Kleiter I, et al. Fluorodeoxyglucose positron emission tomography in anti-N-methyl-D-aspartate receptor encephalitis: distinct pattern of disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2012; 83:681.
(76) Martinez-Hernandez E, Horvath J, Shiloh-Malawsky Y, et al. Analysis of complement and plasma cells in the brain of patients with anti-NMDAR encephalitis. Neurology 2011; 77:589.
(125) Petit-Pedrol M, Armangue T, Peng X, et al. Encephalitis with refractory seizures, status epilepticus, and antibodies to the GABAA receptor: a case series, characterization of the antigen, and analysis of the effects of antibodies. Lancet Neurol 2014; 13:276.
(7) Moragas M, Martinez-Yélamos S, Majós C, et al. Rhombenencephalitis: a series of 97 patients. Medicine (Baltimore) 2011; 90:256.
(64) Titulaer MJ, McCracken L, Gabilondoe I, et al. Treatment and prognostic factors for long-term outcome in patients with anti-NMDA receptor encephalitis: an observational cohort study. Lancet Neurol 2013; 12:157.
(55) Kayser MS, Titulaer MJ, Gresa-Arribas N, Dalmau J. Frequency and characteristics of isolated psychiatric episodes in anti-N-methyl-d-aspartate receprot encephalitis. JAMA Neurol 2013; 70:1133.
(54) Hacohen Y, Wright S, Waters P, et al. Paediatric autoimmune encephalopathies: clinical features, laboratory investigations and outcomes in patients with or without antibodie4s to known central nervous system autoantigens. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2013; 84:748.

Anmerkung d. Verf.

 

Die Tatsache, dass eine Autoimmunencephalitis klinisch früher sichtbar wird als das Auftreten von Antikörpern macht einen pathogenetischen Mechanismus unwahrscheinlich.

 

Bei Patienten mit Symptomen vereinbar mit einer Autoimmunencephalitis sollte zunächst Bestimmung von NMDAR AK im Serum erfolgen.

 

Im Hinblick auf LB ist bei einer Autoimmunencephalitis im Wesentlichen die akute Neuroborreliose zu beachten (Frühstadium), da im Spätstadium ein derartig schweres Krankheitsbild bei LB nicht beschrieben ist.

 

 

Zusammenfassung

 

Die Autoimmunencephalitis ist charakterisiert durch Antikörper gegen neuronale Zelloberflächen- / synaptische Proteine. Klinisch zeigt sich die Autoimmunencephalitis in Form einer limbischen Encephalitis, neuropsychiatrischen Symptomen, cerebralen Anfällen, abnormen Bewegungen und Koma.

 

Eine spezielle Form stellt die Anti-NMDA Rezeptor Encephalitis dar. Das Krankheitsbild ist charakterisiert durch psychiatrische Manifestationen, kognitive Dysfunktion, Sprachstörungen, cerebrale Anfälle, Dyskinesien, Bewegungsabnormitäten, Bewusstseinstrübung und autonome Instabilität. Die Krankheit betrifft primär Kinder und Erwachsene bis zum 45. Lebensjahr. Bei Frauen kann die Erkrankung mit einem Ovar-Teratom assoziiert sein, so dass der Begriff paraneoplastische Encephalitis angebracht wäre.

 

Diagnostisch kommen folgende Untersuchungsmethoden zum Einsatz: MRT, PET, EEG, Liquoruntersuchung, Untersuchung auf neuronale Antikörper in Serum und Liquor. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung bietet erhebliche Vorteile, daher sollte eine immunsuppressive Behandlung bereits dann erfolgen, wenn Antikörper noch nicht nachweisbar sein sollten, also auf der Basis des klinischen Bildes. Differentialdiagnostisch sind u.a. bakterielle Infektionen (Lyme-Borreliose, Bartonellose) zu beachten.

 

Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von anti-NMDA Rezeptor IgG (anti-GluN1 AK, syn. NR 1).