Öffentlichkeitsarbeit


„Was man nicht erklären kann, sieht man gern als Borreliose an“

Artikel  MMW, 22, 28.05.09

Kritische Stellungnahme von 
W. Berghoff


Im Kontext sei darauf hingewiesen, dass die aktuellen Leitlinien der verschiedenen Fachgesellschaften in der BRD auf den Leitlinien der amerikanischen Fachgesellschaft für Infektiologie beruhen (IDSA, Infectious Disease Society of America). Die seit vielen Jahren von der IDSA vertretenen Leitlinien werden zur Zeit einer Überprüfung durch die Generalstaatsanwaltschaft Connecticut unterzogen (1). Die Generalstaatsanwaltschaft benennt im Wesentlichen zwei Gründe:

  1. Interessenskonflikte der Leitlinien-Kommissionsmitglieder
  2. Unterdrückung wissenschaftlicher Erkenntnisse
  • Eine angesaugte Zecke sollte auf Infektiösität untersucht werden. Enthält die Zecke Borrelien, sollten Arzt und Patient unter Abwägung der Umstände und des Risikos entscheiden, ob vorsorglich eine antibiotische Behandlung durchgeführt wird.
    Ein pathologischer Liquor ist ausschließlich bei einem aktuellen entzündlichen Geschehen im Nervensystem (z.B. Encephalomyelitis, Neuro-Radiculitis) zu erwarten. Bei der krankheitsbedingten Funktionsstörung des Gehirns (Encephalopathie mit kognitiven und mentalen Störungen) weist der Liquor nur in 5% der Fälle Veränderungen auf und das nur in geringem Ausmaß (2, 3). Bei der chronischen Lyme- Borreliose ohne wesentliche aktuelle Entzündungen des zentralen Nervensystems ist der Liquor unauffällig. Die chronische Lyme-Borreliose erfordert daher keine Liquoruntersuchung.

  • Der Lymphozytentransformationstest (LTT) ist wesentlicher Bestandteil der Diagnostik bei der Lyme-Borreliose. Er wurde in wissenschaftlich korrekter Form validiert. Seine Spezifität und Sensivität kommt der von serologischen Methoden nahe (4). – Der LTT hat besondere Bedeutung bei seronegativen Patienten, die offensichtlich an einer chronischen Lyme- Borreliose leiden (11).
  • Seronegativität (Fehlen von Antikörpern) liegt bei 50% der Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose vor (5).

  • Der Verlauf kardialer Erkrankungen bei der Lyme-Borreliose kann aufgrund bisher vorliegender Literaturmitteilungen nicht beurteilt werden.

  • Eine chronische Lyme-Borreliose kann sich über viele Jahre, mitunter über Jahrzehnte erstrecken (6) und ist mit einem erheblichen Leidensdruck verbunden (5).

  • Im Frühstadium weist die antibiotische Behandlung eine Versagerquote von 10% auf (7).

  • Bei chronischen Verläufen liegt die Versagerquote (bei Behandlung nach aktuellen Leitlinien) bei 50% (8).

  • Die nach akuter Arthritis oder Lyme-Borreliose trotz vermeintlich adäquater antibiotischer Behandlung persistierenden Beschwerden sind Ausdruck einer chronischen Lyme-Borreliose. Dies ist durch Erregernachweis bei vielen Fällen eines derartigen Krankheitszustandes belegt (9).

  • Eine Akrodermatitis chronica atrophicans oder eine chronische Lyme- Neuroborreliose (insbesondere in Form der Polyneuropathie) ist keinesfalls selten. Derartige Manifestationen kommen bei bis zu 30% der Patienten mit chronischer Lyme-Borreliose vor (8, 12).

  • Die Diagnose einer Somatisierungsstörung erfordert nach aktuellem internationalem Konsens (DSM-IV-TR) das Vorliegen folgender Kriterien: Auftreten der Beschwerden vor dem 30. Lebensjahr, sicherer Ausschluss einer körperlichen Ursache, chronischer Schmerz mit vier verschiedenen Lokalisationen, zwei gastrointestinale Symptome, ein sexuelles Symptom, ein pseudo-neurologisches Symptom (10).

  • Da der publizierte Text offensichtlich der Meinungsbildung eines Symposiums auf dem Deutschen Internistenkongress 2009 entspricht, wären Literaturhinweise im Text und ein Literaturverzeichnis zu erwarten.
Literaturverzeichnis

  1. Attorney General’s Investigation Reveals Flawed Lyme Disease Guideline Process, IDSA Agrees To Reassess Guidelines, Install Independent Arbiter, Connecticut Attorney General’s Office, Press Release, 05/2008
  2. Kaplan RF et al, Cognitive function in post-treatment Lyme disease, Neurology, 60:1916-1922, 2003
  3. Krupp LB et al, Study and treatment of post Lyme disease (STOP-LD), Neurology, 60:1923-1930, 2003
  4. von Baehr V et al, Untersuchungen zur diagnostischen Wertigkeit des Lymphozytentransformationstestes bei Patienten mit Borreliose, J Lab Med, 31(3):149-158, 2007
  5. Klempner MS et al, Two controlled trials of antibiotic treatment in patients with persistent symptoms and a history of Lyme disease, N Engl J Med, Vol 345, No. 2, 2001
  6. Kalish RA et al, Evaluation of Study Patients with Lyme Disease, 10-20-Year Follow-up, The Journal of Infectious Diseases, 183:453-60, 2001
  7. Strle F et al, Azithromycin versus doxycycline for treatment of erythema migrans: clinical and microbiological findings, Infection, 21(2):83-8, 1993
  8. Asch ES et al, Lyme Disease: An Infectious and Postinfectious Syndrome, The Journal of Rheumatology, 21:3, 1994
  9. Preac-Mursic V et al, Survival of Borrelia burgdorferi in antibiotically treated patients with Lyme borreliosis, Infection, 17(6):355-9, 1989
  10. DSM-IV-TR, Diagnostic and statistical manual of mental disorders, fourth edition, American Psychiatric Association, Washington, DC
  11. Dattwyler RJ et al, Seronegative Lyme disease. Dissociation of specific T- and B-lymphocyte responses to Borrelia burgdorferi, Department of Medicine, State University of New York, School of Medicine, Stony Brook 11794-8161
  12. Asbrink E, Erythema chronicum migrans Afzelius and Acrodermatitis chronic atrophicans, Acta Derm Venereol (Stockh), 118:1-63, 1985

    Weitere Literatur: www.praxis-berghoff.de