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Autoimmunencephalitis und paraneoplastische Encephalitis


Bei der immunvermittelten Encephalitis werden zwei Hauptgruppen unterschieden:

  • Autoimmunencephalitis

  • Paraneoplastische Encephalitis

Beide Syndrome sind assoziiert mit Antikörpern gegen neuronale Zelloberflächen- Proteine und synaptische Proteine (1, 2).

Das Krankheitsbild zeigt oft eine dramatische Ausprägung und spricht auf immunregulatorische Therapien sehr gut an. Die Behandlung richtet sich im Wesentlichen nach den Erfahrungen bei der N-methyl-D-Aspertase Rezeptor AK- Encephalitis (NMDAR-AK-Encephalitis), bei der die umfangreichsten Studien vorliegen und die somit als Prototyp der Autoimmunencephalitis gilt (3- 12).

 

Die Symptome der anti-NMDAR-Encephalitis sind in Tabelle 1 dargestellt.

 

Intrathekale NMDAR-AK zeigen oft einen Rückgang unter immunsuppressiver Behandlung, der mit der klinischen Besserung korreliert (7, 8, 16).

 

Nicht alle Patienten mit paraneoplastischer oder Autoimmunencephalitis weisen Antikörper auf. In solchen Fällen muss sich die Diagnose auf das klinische Bild und sonstige Befunde stützen. Das Fehlen von Antikörpern schließt also eine Autoimmunencephalitis nicht aus.

 

Antikörper sollten im Blut und Liquor untersucht werden (17). Zurzeit sind noch nicht alle Antikörper erfasst, oder es liegen noch keine entsprechenden Test-Sets zur Verfügung. Auch aus diesem Grunde schließt das Fehlen von Antikörpern eine Autoimmunencephalitis nicht aus.

 

Ein AK-Nachweis im Blut muss durch Nachweis im Liquor bestätigt werden. Wenn nachgewiesene AK nicht zum klinischen Bild passen, handelt es sich möglicherweise um ein falsch positives Resultat bei der AK-Analyse.

 

Die Diagnose sollte sich mehr auf das klinische Bild als auf den Nachweis von Antikörper stützen. Auch der Titer von Antikörpern unter Behandlung und im Krankheitsverlauf ist kritisch zu würdigen, er repräsentiert nicht immer die Krankheitsaktivität.

 

Die paraneoplastische Encephalitis kommt vorwiegend bei Frauen und Kindern vor. Der häufigste assoziierte Tumor ist ein Ovarialteratom. Die paraneoplastische Encephalitis kann jedoch auch bei sonstigen malignen Erkrankungen auftreten und betrifft entsprechend auch Männer und Menschen im mittleren oder höheren Lebensalter. Etwa 5 % der Patienten sind über 45 Jahre alt (18). 

 

Bei Fehlen einer Assoziation mit einem malignen Prozess wird das Krankheitsbild als „Autoimmunencephalitis“ bezeichnet. Die häufigste Form ist die NMDAR-AK- Encephalitis. Jedoch wurden auch zahlreiche sonstige Antikörper gegen neuronale Zelloberflächenproteine und synaptische Proteine nachgewiesen.

 

Die paraneoplastische Encephalitis kann durch frühzeitige Behandlung (Tumorentfernung, immunmodulatorische Behandlung) gut beherrscht werden. Auch die Autoimmunencephalitis (ohne Tumorgeschehen) spricht auf eine Immunmodulation oft gut an.

 

Die diagnostischen Kriterien der NMDAR-AK-Encephalitis sind in Tabelle 2 dargestellt.

 

Bei Fehlen von NMDAR-AK gilt die Diagnose als wahrscheinlich, bei Nachweis von Antikörpern als gesichert.

 


Die wesentlichen klinischen Manifestationen der NMDAR-AK-Encephalitis sind in Tabelle 3 dargestellt.

 

Von den genannten sechs Symptomgruppen müssen mindestens vier vorliegen. Die Krankheitsentwicklung beträgt weniger als drei Monate. 

 

Die Symptomatik nach pathologisch-anatomischen Aspekten ist in Tabelle 4 dargestellt.

 

Das MRT ist oft unauffällig oder zeigt (vorübergehend) regionale Hyperintensität oder Kontrastmittelanreicherungen (3, 16, 19). Im PET ist ein erhöhter Glukosemetabolismus erkennbar mit ansteigendem Gradient von frontal nach occipital (20).

 


Das EEG zeigt epileptische Phänomene oder Thetawellen, insbesondere über dem Temporallappen.

 


Im Liquor sind oft Pleozytose und oligoklonale Banden nachweisbar.

 


Neuronale Antikörper sind im Blut bei Auftreten neurologischer Symptome in der Regel nachweisbar. Die meisten Patienten weisen auch intrathekale Antikörper auf (21).

 


Die Differentialdiagnose der Autoimmunencephalitis (22, 23, 13) ist in Tabelle 5 dargestellt.

 

Die Behandlung der Autoimmunencephalitis ist oft erfolgreich. Unter der Annahme, dass die assoziierten Antikörper eine pathogenetische Wirkung besitzen, wird immunmodulatorisch behandelt. Evidenzbasierte Studien zur immunsuppressiven Behandlung liegen allerdings nicht vor.

 

Die Prognose bei der Autoimmunencephalitis ist sehr variabel und reicht von einer kompletten Remission bis zu Therapieversagern. Eine Verzögerung bei Diagnose und immunsuppressiver Behandlung impliziert eine schlechtere Prognose und eine erhöhte Neigung zu Rückfällen.

Tab. 1
Symptome der anti-NMDAR-AK-Encephalitis (repräsentativ für Autoimmunencephalitis)
  • Prodromi:

    • Kopfschmerzen 
    • Fieber 
    • Virusähnlicher Prozess

  • Ausgeprägte psychiatrische Symptome (13) 
    • Angstzustände

    • Agitation

    • Verhaltensstörung

    • Halluzinationen

    • Wahnvorstellungen

    • Denkstörung

    • Sprachstörung

    • Gedächtnisstörung


    • Bewusstseinstrübung
    • Stupor

    • Katatonische Zustände 
  • Bewegungsstörungen
    • Dyskinesien 
    • Orofaziale athetotische Zeichen
    • Dystonie

    • Chorea

    • Rigor 
    • Opisthotonus 
  • Cerebrale Anfälle
  • Autonome Instabilität
    • Hyperthermie 
    • Blutdruckschwankungen
    • Tachykardie

    • Bradykardie

    • Systolische Pausen 
    • Hypoventilation
  • Sprachstörung 
    • Eingeschränktes Sprachvolumen
    • Mutismus

    • Echolalia 
  • Ospoklonus-Myoklonus (14, 15)
Tab. 2
Diagnostische Kriterien der NMDAR-AK-Encephalitis
  • Passendes klinisches Krankheitsbild
  • Pathologisches EEG oder pathologischer Liquor
    (Pleozytose, oligoklonale Banden)
  • MRT- und PET-Auffälligkeiten
  • NMDAR-IgG-AK im Serum oder Liquor (17)
  • Differentialdiagnostischer Ausschluss anderer Krankheiten als Ursache derneurologischen  Störung
Tab. 3
Wesentliche klinische Manifestationen (Symptomengruppen) der NMDAR-AK-Encephalitis
  • Rasche Krankheitsentwicklung (akut, subakut)
  • 
Psychiatrische Störung und kognitive Dysfunktion
  • 
Sprechstörung
  • Cerebrale Anfälle
  • Bewegungsstörung, Dyskinesien oder Rigor / abnorme Haltung
  • Bewusstseinstrübung
  • Autonome Dysfunktion oder zentrale Hypoventilation
Tab. 4
Krankheitsmanifestationen der NMDAR-AK-Encephalitis unter pathologisch-anatomischen Aspekten
  • Encephalitis
  • Limbische Encephalitis
  • Hirnstammencephalitis
  • Encephalomyelitis
  • Myelitis
Tab. 5
Differentialdiagnose der NMDAR-AK-Encephalitis
  • Psychosen
  • Bakterielle Encephalitis
    u.a. Lyme-Borreliose, Bartonellose
  • Virale Encephalitis
    
(Masern, Mumps, Herpes I, HIV
    
Coxsackie-Viren)
  • Vaskuläre Erkrankungen
  • Maligne Erkrankungen
  • Toxische Einflüsse
    (Alkohol, Neuroleptika)
  • Demyelinisierende Erkrankungen
    (MS, NMO, ADEM, Neurosarkoidose)

Die Autoimmunencephalitis stellt eine medizinische Notfallsituation dar. Die Krankheit erfährt zunehmende Beachtung im Rahmen einer nicht infektiösen Encephalitis, die gut auf immunsuppressive Behandlung anspricht. Differentialdiagnostisch ist sie im Hinblick auf eine infektiöse Encephalitis von erheblicher Bedeutung (11).

 

In einer Studie an 111 Kindern mit Encephalitis zeigten 44% keine Antikörper. Auf der klinischen Basis wurde eine Autoimmunencephalitis als wahrscheinlich eingestuft. Die Symptomatik war bei Antikörper-positiven und -negativen Patienten gleich. 52% der Patienten zeigten unter Immunsuppression eine komplette Remission, ohne Immunsuppression dagegen nur 28% (12).

 

Bei 100 Patienten mit Encephalitis und NR1-NR2 AK (NMDAR-AK) wiesen 59% ein ovarielles Teratom auf. Die Pathogenese der Anti-NMDAR-Encephalitis scheint durch Antikörper vermittelt zu werden (8).

 

Die Anti-NMDAR-Encephalitis ist bei Frauen oft mit einem ovariellen Teratom assoziiert. Bei Männern und Kindern ist ein Malignom im Zusammenhang mit einer Autoimmunencephalitis selten. Bei der Anti-NMDAR-Encephalitis handelt es sich um eine schwerwiegende, jedoch therapierbare Krankheit. Die Diagnose stützt sich auf die klinischen Manifestationen und den Nachweis von NMDAR-AK (9).

 

Die Tatsache, dass eine Autoimmunencephalitis klinisch früher sichtbar wird als das Auftreten von Antikörpern macht einen pathogenetischen Mechanismus unwahrscheinlich (Anm. d. Verf.). – Nachgewiesen wurde im Tierexperiment und in vitro, dass unter dem Einfluss von NMDAR-AK die Anzahl der synaptischen Rezeptoren zurückgeht. Der pathogenetische Zusammenhang zwischen NMDAR-AK und der Autoimmunencephalitis ist jedoch weiterhin hypothetisch (10).

 

Bei Patienten mit Symptomen vereinbar mit einer Autoimmunencephalitis sollte zunächst Bestimmung von NMDAR-AK im Serum erfolgen.

 

Bei Verdacht auf Autoimmunencephalitis ist differentialdiagnostisch die Lyme- Neuroborreliose im Früh- und Spätstadium zu beachten (Anm. d. Verf.).

Zusammenfassung

 

Die Autoimmunencephalitis ist charakterisiert durch Antikörper gegen neuronale Zelloberflächen- und synaptische Proteine. Klinisch zeigt sich die Autoimmunencephalitis in Form einer limbischen Encephalitis, neuropsychiatrischen Symptomen, cerebralen Anfällen, abnormen Bewegungen und Koma.

 

Eine spezielle Form stellt die Anti-NMDAR-Encephalitis dar. Das Krankheitsbild ist charakterisiert durch psychiatrische Manifestationen, kognitive Dysfunktion, Sprachstörungen, cerebrale Anfälle, Dyskinesien, Bewegungsabnormitäten, Bewusstseinstrübung und autonome Instabilität. Die Krankheit betrifft primär Kinder und Erwachsene bis zum 45. Lebensjahr. Bei Frauen kann die Erkrankung mit einem Ovar-Teratom assoziiert sein, so dass der Begriff paraneoplastische Encephalitis angebracht wäre.

 

Diagnostisch kommen folgende Untersuchungsmethoden zum Einsatz: MRT, PET, EEG, Liquoruntersuchung, Untersuchung auf neuronale Antikörper in Serum und Liquor. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung bietet erhebliche Vorteile, daher sollte eine immunsuppressive Behandlung bereits dann erfolgen, wenn Antikörper noch nicht nachweisbar sein sollten, also auf der Basis des klinischen Bildes. Differentialdiagnostisch sind u.a. bakterielle Infektionen (Lyme-Borreliose, Bartonellose) zu beachten.

 

Gesichert wird die Diagnose durch den Nachweis von NMDAR-IgG-AK (anti-GluN1 AK, syn. NR 1).

Literaturverzeichnis

  1. Lancaster E, Martinez-Hernandez E, Dalmau J. Encephalitis and antibodies to synaptic and neuronal cell surface proteins. Neurology 2011; 77:179.
  2. Zuliani L, Graus F, Giometto B, et al. Central nervous system neuronal surface antibody associated syndromes: review and guidelines for recognition. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2012; 83:638.
  3. Vitaliani R, Mason W, Ances B, et al. Paraneoplastic encephalitis, psychiatric symptoms, and hypoventilation in ovarian teratoma. Ann Neurol 2005; 58:594.
  4. Dalmau J, Tüzün E, Wu Hy, et al. Paraneoplastic anti-N-methyl-D-aspartate receptor encephalitis associated with ovarian teratoma. Ann Neurol 2007; 61:25.
  5. Shimazaki H, Ando Y, Nakano I, Dalmau J. Reversible limbic encephalitis with antibodies against the membranes of neurons of the hippocampus. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2007; 78:324.
  6. Iizuka T, Sakai F, Ide T, et al. Anti-NMDA receptor encephalitis in Japan: long- term outcome without tumor removal. Neurology 2008; 70:504.
  7. Seki M, Suzuki S, Iizuka T, et al. Neurological response to early removal of ovarian teratoma in anti-NMDAR encephalitis. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2008; 79:324.
  8. Dalmau J, Gleichman AJ, Hughes EG, et al. Anti-NMDA-receptor encephalitis: case series and analysis of the effects of antibodies. Lancet Neurol 2008; 7:1091.
  9. Florance-Ryan N, Dalmau J. Update on anti-N-methyl-D-aspartate receptor encephalitis in children and adolescents. Curr Opin Pediatr 2010; 22:739.
  10. Dalmau J, Lancaster E, Martinez-Hernandez E, et al. Clinical experience and laboratory investigations in patients with anti-NMDAR encephalitis. Lancet Neurol 2011; 10:63.
  11. Wingfield T, McHugh C, Vas A, et al. Autoimmune encephalitis: a case series and comprehensive review of the literature. QJM 2011; 104:921.
  12. Hacohen Y, Wright S, Waters P, et al. Paediatric autoimmune encephalopathies: clinical features, laboratory investigations and outcomes in patients with or without antibodies to known central nervous system autoantigens. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2013; 84:748.
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  14. Smith JH, Dhamija R, Moseley BD, et al. N-methyl-D-aspartate receptor autoimmune encephalitis presenting with opsoclonus-myoclonus: treatment response to plasmapheresis. Arch Neurol 2011; 68:1069.
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  18. Titulaer MJ, McCracken L, Gabilondo I, et al. Late-onset anti-NMDA receptor encephalitis. Neurology 2013; 81:1058.
  19. Petit-Pedrol M, Armangue T, Peng X, et al. Encephalitis with refractory seizures, status epilepticus, and antibodies to the GABAA receptor: a case series, characterization of the antigen, and analysis of the effects of antibodies. Lancet Neurol 2014; 13:276.
  20. Leypoldt F, Buchert R, Kleiter I, et al. Fluorodeoxyglucose positron emission tomography in anti-N-methyl-D-aspartate receptor encephalitis: distinct pattern of disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2012; 83:681
  21. Martinez-Hernandez E, Horvath J, Shiloh-Malawsky Y, et al. Analysis of complement and plasma cells in the brain of patients with anti-NMDAR encephalitis. Neurology 2011; 77:589.
  22. Moragas M, Martinez-Yélamos S, Majós C, et al. Rhombenencephalitis: a series of 97 patients. Medicine (Baltimore) 2011; 90:256.
  23. Titulaer MJ, McCracken L, Gabilondoe I, et al. Treatment and prognostic factors for long-term outcome in patients with anti-NMDA receptor encephalitis: an observational cohort study. Lancet Neurol 2013; 12:157.