Literaturübersicht Lyme-Borreliose

(Epikrisen in deutscher Übersetzung von W. Berghoff)


2017

Titelsuche

T-Helper 17 Cell Cytokine Responses in Lyme Disease Correlate With Borrelia burgdorferi Antibodies During Early Infection and With Autoantibodies Late in the Illness in Patients With Antibiotic-Refractory Lyme Arthritis. 

Strle K, Sulka KB, Pianta A, Crowley JT, Arvikar SL, Anselmo A, Sadreyev R, Steere AC. ClinInfect Dis 2017; 64(7):930-938. 

 

Untersuchungen der TH 17-Immunantwort bei Erythema migrans bzw. Lyme-Arthritis. 91 Patienten mit EM, 141 Patienten mit Lyme-Arthritis. Bei EM zeigen sich signifikant erhöhte Spiegel von TH 17-assoziierten Mediatoren. Die TH 17-assoziierten Zytokine korrelieren direkt mit den IgG Antikörpern; der Befund legt eine günstige Rolle dieser Immunantwort im Frühstadium der LB nahe. Im Spätstadium sind die TH 1- assoziierten Mediatoren in der Gelenkflüssigkeit oft zehnmal höher als im Serum, wobei sich eine höhere Variabilität der Spiegel zeigt. Die TH 17-assoziierten Mediatoren korrelieren in der Spätphase mit Antikörper gegen ECGF (endothelialcellgrothfactor), Matrix-Metalloproteinase 10 und Apolipoprotein B-100 und zwar in der Gelenkflüssigkeit von Patienten mit Antibiotika-resistenter Lyme- Arthritis. Die Daten implizieren eine Verschiebung der TH 17-Antwort in Richtung eines Autoimmunphenotyps. – Schlussfolgerung: In der Frühphase hilft die TH 17- Antwort, die Infektion zu kontrollieren, in der Spätphase könnte die TH 17-Antwort nachteilig sein, indem sie möglicherweise zu einer Autoimmunantwort bei Antibiotika- refraktärer Lyme-Arthritis beiträgt.

Activity of Sulfa Drugs and Their Combinations against Stationary Phase B. burgdorferi In Vitro. 

Feng J, Zhang S, Shi W, Zhang Y. Antibiotics (Basel) 2017; 6(1). 

 

Bei der Lyme-Borreliose weist die antibiotische Behandlung eine Versagerquote von 10% bis 20% auf. die Patienten leiden an einem länger anhaltenden Post- Treatment Lyme Disease Syndrome (PTLDS). Die Ursache des PTLDS ist unklar. Eine mögliche Ursache könnte die Persistenz von Borrelia burgdorferi gegenüber den derzeit eingesetzten Antibiotika sein. Die in-vitro-Studie zeigt, dass Sulfonamide(Sulfamethoxazol, Dapsone, Sulfachlorpyridazine und Trimethoprim) eine relative Effizienz gegen Bb in der stationären Phase (also bei Vorliegen von Persistern, keine Bakterienvermehrung) haben. Sehr viel wirksamer als Sulfonamide ist die Kombination mit Antibiotika aus anderen Gruppen. Eine Vierfachkombination (Dapsone + Minocyclin + Cefuroxim + Azithromycin bzw. Dapsone + Minocyclin + Cefuroxim + Rifampicin) waren sehr viel wirksamer als die Sulfonamide (selbst bei Kombination von Substanzen aus dieser Gruppe). Doch selbst die Vierfachkombination mit den oben genannten Substanzen aus verschiedenen Antibiotikagruppen war deutlich weniger effizient als die Kombination Daptomicin + Cefuroxim + Doxycyclin; diese Kombination führte zur vollständigen Eradikation von Bb in der stationären Phase. Weitere Studien in vitro und im Tiermodell sind erforderlich, um die Wirkung von Sulfonamiden zu präzisieren.

Estimation of cognitive and affective disorders occurrence in patients with Lyme borreliosis. 

Oczko-Grzesik B, Kepa L, Puszcz-Matlinska M, Pudlo R, Zurek A, Badura-Glabik T. Ann Agric Environ Med 2017; 24(1):33-38.

 

Untersuchung von Patienten mit Lyme-Borreliose im Spätstadium hinsichtlich kognitiver und affektiver Störungen. 121 Patienten, Lyme-Arthritis 38%, Neuroborreliose (also Neuroborreliose im Spätstadium, Anm. d. Verf.) 62%. Neuropsychologische Untersuchung mittels standardisierter Tests. – Kognitive Störungen sind bei Neuroborreliose (im Spätstadium) häufiger (14,7%) als bei Lyme- Arthritis (4,3%). Depressive Störungen sind häufiger als kognitive Störungen, depressive Störung bei der Neuroborreliose 50,7%, bei Lyme-Arthritis 39,1%. Die Depression war leicht bis mittelgradig. Angststörungen kamen bei der Neuroborreliose in 44% der Fälle vor.

Topical azithromycin for the prevention of Lyme borreliosis: a randomised, placebo-controlled, phase 3 efficacy trial. 

Schwameis M, Kündig T, Huber G, von Bidder L, Meinel L, Weisser R, Aberer E, Härter G, Weinke T, Jelinek T, Fätkenheuer G, Wollina U, Burchard GD, Aschoff R, Nischik R, Sattler G, Popp G, Lotte W, Wiechert D, Eder G, Maus O, Staubach-Renz P, Gräfe A, Geigenberger V, Naudts I, Sebastian M, Reider N, Weber R, Heckmann M, Reisinger EC, Klein G, Wantzen J, Jilma B. Lancet Infect Dis 2017; 17(3):322-329. 

 

Azithromycinsalbe wurde innerhalb von 72 Stunden nach Zeckenstich an drei aufeinander folgenden Tagen appliziert. Einbezogen wurden 1.371 Probanden. Nach acht Wochen zeigte sich eine Versagerquote von 2% sowohl in der Verum- als auch in der Placebo-Gruppe. Die Analyse einer Untergruppe lässt vermuten, dass die Azithromycinsalbe die Häufigkeit eines EM nach Zeckenstich reduzieren könnte.

Borrelia burgdorferi Manipulates Innate and Adaptive Immunity to Establish Persistence in Rodent Reservoir Hosts.


Tracy KE, Baumgarth N. Front Immunol 2017; 8:116. 

 

Bb-Infektion induziert Immunantworten des angeborenen und erworbenen Immunsystems. Beide Systeme sind jedoch nicht in der Lage, die Infektion aus dem Reservoir-Wirt zu entfernen. Vielmehr entwickelt sich eine bakterielle Persistenz. Die Arbeit stellt eine Literaturübersicht dar aus der sich ergibt, dass die T-abhängigen B Zellen-Immunantwort durch die Infektion beeinträchtigt wird.

Borrelia Diversity and Co-infection with Other Tick Borne Pathogens in Ticks. 

Raileanu C, Moutailler S, Pavel I, Porea D, Mihalca AD, Savuta G, Vayssier-Taussat M. Front Cell Infect Microbiol 2017; 7:36.

 

Bei Bb-befallenen Zecken (Rumänien) lag in jeweils 1,3% Coinfektion mit Rickettsien bzw. CandidatusNeoehrlichiamikurensis vor.

Lyme neuroborreliosis. 

Koedel U, Pfister HW. CurrOpinInfect Dis 2017; 30(1):101-107.

 

Bei der Lyme-Borreliose treten in 10% der Fälle neurologische Manifestationen auf (so genannte Lyme-Neuroborreliose). Die Inzidenz scheint wesentlich höher zu liegen als bisher angenommen. Serologische Tests sind für die Diagnose einer LNB essentiell. Die meisten Patienten mit LNB sprechen auf die Behandlung gut an. Bei einigen Patienten bleiben jedoch unspezifische Symptome trotz konventioneller (antibiotischer) Therapie. Dieser Zustand wird als Post-Treatment-Lyme-Disease- Syndrom (PTLDS) bezeichnet. Pathogenese und Existenz des PTLDS sind jedoch noch ungeklärt, allerdings gibt es Hinweise, dass beim PTLDS keine persistierende Borrelieninfektion vorliegt und folglich eine zusätzliche antibiotische Therapie keine Vorteile bringt. 

 

(Stellungnahme d. Verf.: Serologische Tests sind für die Diagnose einer LNB nicht essentiell. Ein pathologisch serologischer Befund beweist lediglich die stattgehabte Infektion mit Bb, macht jedoch keine Aussage zu Existenz und Ausmaß der Krankheit (Lyme-Borreliose bzw. Lyme-Neuroborreliose). Da das PTLDS keine bewiesene nosologische Entität (Krankheit) darstellt, sind Diskussionen über so genannte „unspezifische Symptome“ und „Hinweise, dass PTLDS nicht mit einer persistierenden Bb-Infektion zusammenhängt“ derzeit nicht zielführend.

Pathogenic implications of the age at time of diagnosis and skin location for acrodermatitischronicaatrophicans.


Ogrinc K, Wormser GP, Visintainer P, Maraspin V, Lotric-Furlan S, Cimperman J, Ruzic-Sablijc E, Bogovic P, Rojko T, Stupica D, Strle F. Ticks Tick Borne Dis 2017; 8)2):266-269. 

 

590 Patienten mit ACA. ACA-Patienten waren im Durchschnitt 14,3 Jahre älter als Patienten mit EM, Lyme-Neuroborreliose oder Lyme-Arthritis. Die durchschnittliche Verzögerung der Diagnose einer ACA betrug im Mittel 1,6 Jahre. Die ACA war in 96,9% an den Extremitäten lokalisiert. Bei 20 ACA-Patienten war das vorausgehende EM an gleicher Stelle nicht behandelt worden. Der zeitliche Abstand zwischen EM und Entwicklung der ACA betrug im Durchschnitt 3 Jahre (0,1 bis 15 Jahre). – ACA tritt meistens bei älteren Menschen auf und ist meistens an den Extremitäten lokalisiert. Der Lokalisation an den Extremitäten liegen offensichtlich prädisponierende altersbedingte anatomische und physiologische Veränderungen zugrunde.

Claims-Based Diagnostic Patterns of Patients Evaluated for Lyme Disease and Given Extended Antibiotic Therapy. 

Tseng YJ, DeMaria A Jr, Goldmann DA, Mandl KD. Vector Borne Zoonotic Dis 2017; 17(2):116-122. 

 

Retrospektive Studie an 3.807 Patienten mit Lyme-Borreliose. Die Autoren sind der Ansicht, dass die Diagnose einer Lyme-Borreliose oft erheblich verzögert ist, insbesondere wenn ein Erythema migrans nicht auftritt. Eine antibiotische Langzeitbehandlung würde nicht empfohlen aber käme zunehmend zum Einsatz. Hypothetisch wurde angenommen, dass Patienten, die eine antibiotische Langzeitbehandlung erhielten, vor Diagnosestellung über längere Zeit symptomatisch waren. – Unterschieden wurden zwei Gruppen und zwar Patienten mit Lyme-Borreliose und antibiotischer Behandlung nach Standard (PLDSA) bzw. Patienten mit Lyme-Borreliose, die später eine antibiotische Behandlung erhielten (PLDEA). Bei Vergleich dieser beiden Gruppen zeigte sich, dass ab 180 Tage vor der Erstdiagnose der Lyme-Borreliose Rückenschmerzen und Bindegewebserkrankungen signifikant häufiger in der PLDEA-Gruppe vorlagen. Ab 90 Tage vor Diagnosestellung waren allgemeines Krankheitsgefühl, Fatigue, Störungen des Nervensystems und nicht traumatische Gelenkbeschwerden in der PLDEA-Gruppe größer. – Ab 30 Tage vor Erstdiagnose war das Risiko mentale Erkrankungen und Kopfschmerzen in der PLDEA-Gruppe größer. – Schlussfolgerung: In der Gruppe PLDEA, also bei Patienten, die später eine antibiotische Langzeitbehandlung erhielten, litten 15,8% an Symptomen und suchten für mehrere Monate ärztliche Betreuung, bevor die Erstdiagnose der Lyme-Borreliose gestellt wurde.

Autoimmune Arthritides, Rheumatoid Arthritis, Psoriatic Arthritis, or Peripheral Spondyloarthritis Following Lyme Disease. 

Arvikar SL, Crowley JT, Sulka KB, Steere AC. Arthritis Rheumatol 2017; 69(1):194-202. 

 

Retrospektive Studie. Einbezogen wurden die Krankendaten aller in einer Lyme- Arthritis-Klinik über 13 Jahre betreute Patienten. Bei 30 Patienten entwickelte sich eine Autoimmungelenkerkrankung im Mittel vier Monate nach Lyme-Borreliose, 15 entwickelten eine rheumatoide Arthritis, 13 hatten eine Psoriasis-Arthritis und 2 eine unspezifische Spondylarthritis. Alle 30 Patienten hatten oft eine vorausgehende Psoriasis, Beteiligung der Wirbelsäule oder Enthesitis. Die Vergleichsgruppe bestand aus 43 Patienten mit Lyme-Arthritis meistens in Form einer Gonarthritis ohne vorausgehendes Erythema migrans. Die Gruppe mit den systemischen autoimmunen Gelenkerkrankungen war für Bbseropositiv, jedoch lagen die Titer niedriger als in der Gruppe mit Lyme-Arthritis. Die Patienten mit der systemischen autoimmunen Gelenkerkrankung erhielten wiederholt antibiotische Behandlung, jedoch ohne Effekt. Antiinflammatorische Substanzen führten zur Besserung. – Schlussfolgerung: Systemische autoimmune Gelenkerkrankung (d.h. RA, PsA, SpA) kann sich nach Lyme-Borreliose entwickeln.

No association between Borrelia burgdorferi antibodies and amyotrophic lateral sclerosis in a case-control study.

Visser AE, VerduynLunel FM, Verdink JH, van den Berg LH. Eur J Neurol 2017; 24(1):227-230. 

 

491 Patienten mit ALS wurden mit 982 Kontrollpersonen verglichen. Die Seroprevalenz bezüglich Borrelia burgdorferi betrug in der Patientengruppe 4,1%, bei den Kontrollen 5,9%. Der Unterschied war nicht signifikant. Auch der klinische Verlauf in beiden Gruppen war identisch. – Schlussfolgerung: Eine Beziehung zwischen Lyme-Borreliose und ALS ist unwahrscheinlich. 

Subjective symptoms after treatment of early Lyme disease. 

Cerar D, Cerar T, Ruzic-Sabljic E, Wormser GP, Strle F. Am J Med. 2010 Jan;123(1):79-86. 

 

Hintergrund:


Es bestehen Kontroversen über Bedeutung und Existenz von Post-Lyme-Disease- Symptomen, da ähnliche Symptome häufig bei der allgemeinen Bevölkerung auftreten. 

 

Methode:


Vergleichsstudie über Effizienz von Doxycyclin vs Cefuroxim bei Erythema migrans. Die EM- Patienten wurden zum Zeitpunkt 0, 2 Wochen, 2, 6 und 12 Monate, die Kontrollen zum Zeitpunkt 0, 6 und 12 Monaten überprüft. Untersucht wurde, ob seit Beginn des Erythema migrans oder nach Einbeziehung der Kontrollen in die Studie neue oder zunehmende Symptome auftraten.

 

Ergebnis:


12 Monate nach Studienbeginn zeigten von den 230 untersuchten Patienten mit EM nur 2,2% neue oder zunehmende Symptome. Es bestand kein Unterschied gegenüber der Kontrollgruppe.

 

Folgerung der Autoren:


Unspezifische Symptome nach Behandlung von Patienten mit Erythema migrans kommen nicht häufiger vor als in der Kontrollgruppe. Es wird daher dafür plädiert, dass in künftigen Studien Kontrollgruppen einbezogen werden. 

 

(Stellungnahme des Verfassers:
 Sogenannte „unspezifische Symptome“ waren nach einem Jahr nur bei 2,2% der Patienten bzw. der Kontrollpersonen nachweisbar, also bei knapp 5 Patienten bzw. 5 Kontrollpersonen. Diese Zahlen sind selbstverständlich zu klein, um eine Differenz bei der Häufigkeit zu prüfen. Daher dient diese orientierende Studie entsprechend den Aussagen der Autoren auch lediglich der Forderung, bei künftigen Studien zu der Problematik „unspezifische Beschwerden“ bei sogenanntem Post-Lyme-Disease-Symptomen eine Kontrollgruppe einzubeziehen. 

 

Die niedrige Quote der Patienten mit persistierenden Beschwerden nach EM spricht dafür, dass die durchgeführte antibiotische Behandlung im Frühstadium, also bei Auftreten des Erythema migrans, rechtzeitig und adäquat durchgeführt wurde. Aus der Literatur ist bekannt, dass bei rechtzeitiger Behandlung des Frühstadiums die therapeutische Erfolgsquote etwa 90% beträgt. 

 

Die vorliegende Publikation belegt also keinesfalls die Ansicht, dass Beschwerden bei einer chronischen Lyme-Borreliose nicht häufiger vorkommen als bei gesunden Kontrollen. Vielmehr hat sie die wesentliche Botschaft, dass eine rechtzeitige und adäquate antibiotische Behandlung des Erythema migrans das Auftreten nachfolgender Symptome verhindert. 

 

Eine Aussage über Existenz und Häufigkeit von Symptomen bei einer chronischen Lyme- Borreliose lässt sich der Publikation nicht entnehmen.)

Antibody response to Lyme disease spirochetes in the context of VlsE- mediated immune evasion. 

Rogovskyy AS, Gillis DC, Ionov Y, Gerasimov E, Zelikovsky A. Infect Immun 2016. 

 

Das Langzeitüberleben von Borrelia burgdorferi in Säugetieren wird durch die Variation des VlsE-vermittelten Antigens bewirkt. Mathematisch lässt sich voraussagen, dass VlsE die bakterielle Infektion mit Bb so stark verlängert, dass die Immunantwort gegenüber nicht-varianten Oberflächenantigenen (also nicht VlsE) erschöpft wird. Die Immunantwort auf nicht-varianteBb-Antigene würde also ihre Protektion im Verlauf der Bb-Infektion verlieren. Entsprechend wurde bei Bb- infizierten Mäusen 28 Tage nach Erstinfektion eine Superinfektion mit einem VlsE- defizitären Klon (∆-VlsE) induziert. Die infolge der Erstinfektion bestehende aktive anti-Bb-Immunantwort verhinderte nicht die durch ∆-VlsE-induzierte Spirochätämie. Dagegen wurde bei Superinfektion durch Bb-Wildtyp die Spirochätämie meistens verhindert. Ein Befund, der zeigt, dass VlsE das primäre Ziel der Immunantwort ist. – Die Superinfektion am Tag 28 nach Primärinfektion versetzte das Immunsystem der Maus in die Lage, die Spirochätämie durch ∆-VlsE (induziert am Tag 28) zu beseitigen. Jedoch war das Immunsystem nicht fähig, eine Spirochätämie nach Superinfektion mit Wildtyp (also mit VlsE) zu verhindern. – Am Tag 28 und 70 nach Primärinfektion war der serologische Befund praktisch identisch.

Commercial test kits for detection of Lyme borreliosis: a meta-analysis of test accuracy. 

MJ Cook, BK Puri. Dovepress 2016; 9:427-440. 

 

Literaturrecherche über die Sensivität von 18 handelsüblichen Test-Kits bezüglich Serologie Borrelia burgdorferi. Bei den in den Studien untersuchten Blutproben war das Vorliegen der LB belegt durch eine positive Borrelienserologie, Hinweis auf ein Erythema migrans und / oder kultureller Nachweis des Erregers. Gefordert wurde zudem eine Spezifität von ≥ 85% und Publikation in den letzten 20 Jahren. Die durchschnittliche Sensivität für alle Tests und für alle untersuchten Proben war 59,5%, die Durchschnittswerte schwankten in den einzelnen Studien zwischen 30,6% und 86,2%. Die Sensivität beim Westernblot lag bei 62,4%, beim enzyme- linkedimmunosorbentassaytest 53,9% und beim synthetischen C6-Peptid ELISA 53,7%, wenn die 2-Stufen-Methode zum Einsatz kam. Die Sensivität nahm mit Dissemination in verschiedene Organe zu. Allerdings lagen keine Daten zum Intervall zwischen Infektionsbeginn und Durchführung des serologischen Testes vor. Da Früh- bzw. Spätstadium nicht klar definiert waren und mögliche Irrtümer bei der retrospektiven Auswahl der Proben vorlagen, konnte die Sensitivät für Früh- bzw. Spätstadium nicht eindeutig bestimmt werden. Die Sensivität für Proben bei akuter Erkrankung war 35,4%, bei Rekonvaleszenz 64,5%. Eine Regressionsanalyse zeigte eine Verbesserung der Sensivität um 4% im Verlauf von 20 Jahren (Zeitraum der einbezogenen Studien). Die einzelnen Studien enthielten keine Daten über die Sensivität im Hinblick auf kurz vorausgegangene Behandlung mit Antibiotika oder Steroiden oder sonstigen Faktoren, die die Immunantwort beeinflussen können. Die Tests waren ausschließlich für spezifische Borrelia-Spezies entwickelt, Sensitivitäten für andere Spezies konnten nicht berechnet werden.

Herausforderung Neuroborreliose. 

Spreer A, Wilking H, Fingerle V. Nervenarzt 2016; 87:1288-1292.

 

Die Lyme-Borreliose betrifft als Multisystemerkrankung neben Haut, Gelenken, Herz und selten Auge regelmäßig auch das Nervensystem. Eine Neuroborreliose ist unter Berücksichtigung aktueller Diagnosekriterien gut zu diagnostizieren und zu behandeln. Eine Leitlinien-gerechte antibiotische Therapie wird als effektiv angenommen und führt zu einer überwiegend folgenlosen Ausheilung, auch wenn die Evidenzlage insgesamt als eher begrenzt einzuschätzen ist. Entgegen dieser wissenschaftlich orientierten medizinischen Meinung existiert in der Bevölkerung und auch bei manchen Kollegen eine weit verbreitete Verunsicherung zu der in Medien und Internetplattformen sehr präsenten Erkrankung der Neuroborreliose. Eine Vielzahl von Patienten befürchten aufgrund unspezifischer Beschwerden an einer Borreliose erkrankt zu sein. Die Datenlage zur Epidemiologie und zur Leistung der serologischen Diagnostik weist Lücken auf. Folge ist, dass nicht ausreichend validierte Testsysteme und darauf basierend nicht ausreichend validierte therapeutische Interventionen eingesetzt werden. Das „Klinische Netzwerk Neuroborreliose“, ein Netzwerk aus klinisch tätigen Ärzten und Labormedizinern mit Förderung durch Gesundheitsbehörden will für Diagnostik und Therapieverfahren belastbare Grundlagen schaffen. Das „Klinische Netzwerk Neuroborreliose“ und das Robert-Koch-Institut führen eine Studie zur Erfassung und Schätzung der Anzahl der Neuroborreliose-Fälle in Deutschland durch. 

 

(Anm. d. Verf.: Hinsichtlich zahlreicher Falschbehauptungen der Publikation sei beispielhaft ein Punkt herausgestellt: 

 

Auf Seite 1290 heißt es im Abschnitt „Therapie der Neuroborreliose“: 

 

„Es liegen keine kontrollierten Studien vor, die gezielt die Antibiotika-Therapie bei späten Manifestationen (der Lyme-Neuroborreliose) untersucht hätten, was vermutlich an der geringen Inzidenz dieser Manifestationsform liegt. Allerdings ergaben sich in der vorliegenden Literatur keine Anhaltspunkte für Therapieversager bei Spätmanifestationen unter den etablierten Therapie-Regimen“. 

 

In diesem Zusammenhang wird auf vier Publikationen Bezug genommen: 

  • Dersch et al, 2015 
  • Hansen und Lebech, 1992 
  • Huppertz et al, Handbuch Infektion bei Kindern und Jugendlichen, Thieme- 
Verlag 
  • Kaiser 2004 


Die Arbeit von Dersch betrifft im Wesentlichen die akute Lyme-Neuroborreliose, also das Frühstadium. Die Literatur zum Spätstadium wird in dieser Literatur-Recherche als unzureichend bezeichnet. 


 

Die Arbeit von Hansen und Lebech betraf zu 94% die Lyme-Neuroborreliose im Frühstadium. Einige Patienten mit Encephalomyelitis bei Lyme-Neuroborreliose im Spätstadium zeigten in 100% der Fälle bleibende Folgeschäden. Der entzündliche Liquor zeigte rückläufige Tendenz, jedoch keine Normalisierung nach neun Monaten.

 


Auch der Text von Huppertz et al enthält keine evidenzbasierten Daten zur antibiotischen Effizienz im Spätstadium. 


 

Die Publikation von Kaiser berichtet über 15 Fälle einer chronischen Neuroborreliose und zwar ausschließlich in Form einer Encephalomyelitis. Nach einem Jahr waren 10/15 Patienten beschwerdefrei, 4/15 Patienten hatten eine leichte Ataxie, 2/15 Patienten eine Blaseninkontinenz. Ein Patient, der mit zweijähriger Verzögerung antibiotisch behandelt wurde, zeigte noch eine deutliche Paraparese sowie Blaseninkontinenz. Bei einigen Patienten aus 1992 bis 1993 war eine dreiwöchige Nachbehandlung mit Ceftriaxon erforderlich. Grund für die Nachbehandlung waren persistierende Paresen und eine (geringgradige) Pleozytose. Drei Monate nach der Nachbehandlung waren die Paresen tendenziell rückläufig. – Pathophysiologisch und im Hinblick auf Therapieversagen wurde die antibiotische Nachbehandlung in der Publikation nicht diskutiert. Die Art der antibiotischen Behandlung ist in der Publikation nicht beschrieben. In der Publikation werden als einzige Manifestation der Lyme-Neuroborreliose im Spätstadium die Encephalomyelitis benannt (mit Paraparese und Blasenentleerungsstörung). Angaben zur Krankheitsentstehung, zum Krankheitsverlauf und zum Krankheitsbild, d.h. sonstigen Manifestationen einer LB enthält die Publikation nicht. Außer der Arbeit von Kaiser liegen keine weiteren relevanten Publikationen zur Encephalomyelitis bei Lyme-Borreliose vor. Nur bei 66% der Patienten konnte eine vollständige Rückbildung des neurologischen Krankheitsbildes erzielt werden.

 

Insbesondere bei der Aktualisierung der Leitlinie Neuroborreliose der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sollten folgende Behauptungen in die Diskussion einbezogen werden: 

  • Die Lyme-Borreliose betrifft regelmäßig das Nervensystem 

  • Eine Neuroborreliose ist unter Berücksichtigung aktueller Diagnosekriterien 
gut zu diagnostizieren 

  • Eine Lyme-Neuroborreliose kann meistens bei Leitlinien-gerechter 
antibiotischer Therapie gut behandelt werden 

  • Entgegen der wissenschaftlich orientierten Medizin existiert bei manchen 
Kollegen eine weit verbreitete Verunsicherung zu der in den Medien und im 
Internet präsentierten Neuroborreliose 

  • Eine Vielzahl von Patienten befürchten aufgrund unspezifischer Beschwerden 
an einer Borreliose erkrankt zu sein 

  • Aufgrund nicht ausreichend validierter Testsysteme werden nicht ausreichend validierte therapeutische Interventionen eingesetzt 

  • Das klinische Netzwerk Neuroborreliose, ein Netzwerk aus klinisch tätigen Ärzten mit Förderung durch die Gesundheitsbehörden will für Diagnose- und Therapieverfahren belastbare Grundlagen schaffen 

  • Das Robert-Koch-Institut und das KNN führen eine Studie zur Erfassung und Schätzung der Anzahl der Neuroborreliose-Fälle in Deutschland durch) 


MiQ 2000 17

 


Im MiQ 2000 17 werden für den signifikanten Nachweis von Bb-IgG-AK bei Verwendung von Ganzzell-Lysat (PKo (B. afzelii)) zwei Banden gefordert. In den vorausgehenden Ausgaben wurde dagegen nur eine Bande gefordert. Eine Begründung wird im MiQ 2000 17 nicht angegeben, auch nicht auf Nachfrage bei den Autoren. Im Folgenden wird die entsprechende Tabelle MiQ 2000 12 dargestellt.

 


Interpretationskriterien für den Immunoblot nach MiQ 12, 2000.

 

Ganzzell-Lysat-Blot

Bei Verwendung des Stammes pKo (B. afzelii): 

• IgG positiv bei Vorliegen von mindestens 1 Bande: 
p83/100, p58, p43, p30, OspC, p21, Osp17, p14 


• IgM positiv bei Vorliegen von mindestens 1 Bande: 
p41 (stark ausgeprägt), p39, OspC, Osp17 


 

Rekombinantantigen-Blot 


• IgG positiv bei Vorliegen von mindestens 2 Banden: p83/100, p58, p39, OspC, p41int*, Osp17 


• IgM positiv bei Vorliegen von mindestens 2 Banden: p39, OspC, p41int, Osp17
oder
OspC allein in starker Ausprägung

 


*Bei p41int handelt es sich um den zentralen variablen Anteil des Flagellins mit einem MW von 14000 Da. 


 

Allgemein gilt: Alle Banden müssen eine Mindestintensität aufweisen, die anhand einer mitgeführten schwach positiven Kontrolle zu bestimmen ist.

Literatur-Recherche zur antibiotischen Behandlung der Lyme-Neuroborreliose

 

Zur Problematik der antibiotischen Behandlung der Lyme-Neuroborreliose wurden in etwa zeitgleich zwei Literatur-Recherchen im CochraneCentre Deutschland durchgeführt und zwar durch Dersch et al bzw. Cadavid et al. 

 

Efficacy and safety of pharmacological treatments for acute Lyme neuroborreliosis – a systematic review.


Dersch R, Freitag MH, Schmidt S, Sommer H, Rauer S, Meerpohl JJ. Eur J Neurol 2015; 22(9):1249- 59. 

 

Prevalence and spectrum of residual symptoms in Lyme neuroborreliosis after pharmacological treatment: a systemic review.


Dersch R, Sommer H, Rauer S, Meerpohl JJ. J Neurol 2016; 263(1):17-24. 

 

Antibiotics for the neurological complications of Lyme disease (Review). 

Cadavid D, Auwaerter PG, Rumbaugh J, Gelderblom H. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 12. Art. No.:CD0069678. www.chochranelibrary.com 

 

(Anm. d. Verf.: Faktisch betreffen beide Literatur-Recherchen die antibiotische Behandlung der Lyme-Neuroborreliose im Frühstadium. In Ermangelung von entsprechenden Studien kann die Effizienz einer antibiotischen Behandlung der Lyme-Neuroborreliose im Spätstadium nicht beurteilt werden. Daher ist eine Übertragung der Erkenntnisse beim Frühstadium auf das Spätstadium nicht möglich. Eine solche Schlussfolgerung kommt in beiden Literatur-Recherchen auch nicht zum Ausdruck).

Health Care Costs, Utilization and Patterns of Care following Lyme Disease. 

Adrion ER, Aucott J, Lemke KW, Weimer JP. PLOS one tenth anniversary 2015. 

 

Hintergrund: 

CDC schätzt, dass es bei 10% bis 20% der Patienten nach antibiotischer Behandlung der Borreliose zu einem Fortbestehen und einer weiteren Verschlechterung der Symptomatik kommt (Post-Treatment Lyme Disease Syndrome).

 

Retrospektive Studie auf Basis von Daten der Johns-Hopkins-Universität aus den Jahren 2006 bis 2010.

 

Die antibiotische Behandlung wurde innerhalb von 30 Tagen nach Diagnose der Borreliose eingeleitet. Laut Tabelle S3 ergaben sich folgende prozentuale Anteile der Kosten bei verschiedenen Antibiotika: Doxycyclin 60%, Amoxicillin 19%, Ceftriaxon 5%, Amoxicillin-Clavulansäure 8,6%, Cefuroxim 4%, sonstige Antibiotika wurden selten eingesetzt.

 

52.795 Borreliose-Patienten (bzw. PTLDS-Patienten). Vergleichsgruppe 263.975 Personen.

 

Ergebnisse:

In der Lyme-Borreliose-Gruppe Mehrkosten pro Patient von 2.968,00 USD, Mehrkosten bei ambulanten Kontakten 87% / Jahr, d.h. 2.125 USD, 71% mehr Krankenhausaufenthalte, in der Lyme-Borreliose-Gruppe zeigten 63,1% Symptome eines PTLDS, in der Kontrollgruppe ähnliche Symptomatik bei 27,6%, Risiko für Entwicklung eines PTLDS war in der Lyme-Borreliose-Gruppe 4,77 mal größer, als in der Kontrollgruppe, Abgeschlagenheit und Erschöpfung bei Borreliose- Patienten 32,7%, bei Kontrollgruppe 8,4%, d.h. Risiko für Abgeschlagenheit und Erschöpfung 5,47 mal höher, als in der Vergleichsgruppe, Myokardien 3,62 mal höher als in der Vergleichsgruppe, Diagnose einer Arthrose 4,51 mal höher.

 

Laut Tabelle S5 ergab sich folgende Häufigkeit von Symptomen im Hinblick auf PTLDS: Arthropathie 40%, Muskelskelettbeschwerden 20%, periphere Neuropathie, Neuritis 35%, Fatigue 1,5%, unspezifische Symptome 4%.

 

Folgerung:


Borreliose-Patienten verursachen trotz antibiotischer Therapie weit mehr Kosten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe.

 

(Anm. d. Verf.: Im Hinblick auf die S3-LL Borreliose der DGN ist zu beachten, dass ein PTLDS nach Lyme-Borreliose wesentlich häufiger vorkommt, als bei Menschen, die nicht an Borreliose erkrankten. Zwischen dem hypothetisch angenommenen PTLDS und einer Lyme-Borreliose besteht also ein Kausalzusammenhang. Dies ist insbesondere im forensischen Zusammenhang wichtig. Bei hypothetischer Prämisse muss die Beschwerdesymptomatik eines so genannten PTLDS als Folge einer Lyme- Borreliose aufgefasst werden, insbesondere bei Begutachtung ist die Verneinung eines Kausalzusammenhangs zwischen Lyme-Borreliose und so genanntem PTLDS unzutreffend und nicht begründbar).

 

Die gesundheitspolitische Bedeutung der Publikation liegt in der großen Zahl von Krankheitsfällen (PTLDS oder „chronische Lyme-Krankheit“) in endemischen Gebieten und ihre potentielle Ausbreitung in weitere Bereiche der USA. Bei der medizinischen Erstversorgung und im Rahmen konsiliarischer Beratungen ist es entscheidend, Fehldiagnosen und unnötige diagnostische Tests zu vermeiden. Die Gesundheitspolitik und medizinische Leitlinien erfordern jedoch eine Debatte jenseits der Frage, ob eine chronische Lyme-Borreliose existiert, weisen die Patienten doch stark erhöhte Kosten bei der medizinische Betreuung auf. Ein effektives Management ist daher unerlässlich, um die Kosten zu reduzieren und den Krankheitsverlauf zu verbessern, selbst wenn ein Verständnis der Pathophysiologie der „Post-Treatment Illness“ (also PLS, PTLDS und chronische Lyme-Borreliose, Anm. d. Verf.) aussteht.

 

(Anm. d. Verf.: Die Begriffe PLS (Post Lyme Syndrom), PTLDS (Post Treatment Lyme Disease Syndrom), residual symptoms, residual syndrome und Restbeschwerden stellen Synonyma dar. Sie beziehen sich auf die hypothetische Annahme, dass bei einer zunächst nachgewiesenen Lyme-Borreliose die nachfolgende antibiotische Behandlung nicht zur (vollständigen) Beschwerdefreiheit führt. Eine persistierende Infektion wird in diesem Zusammenhang verneint, ebenso die Sinnhaftigkeit einer erneuten antibiotischen Behandlung. Der Kausalzusammenhang zwischen der zunächst vorhandenen Lyme-Borreliose und den persistierenden Beschwerden kommt implizit und auch durch die gewählten Ausdrücke (also semantisch) zum Ausdruck. Der Kausalzusammenhang zwischen einer aufgetretenen Lyme-Borreliose und persistierenden Beschwerden (z.B. PLS) wird in der Literatur nicht bestritten. Da es sich bei den persistierenden Beschwerden (z.B. PLS) um eine Hypothese handelt, ist die Abgrenzung gegenüber einer Lyme- Borreliose im Spätstadium logischerweise nicht möglich. Literatur über die Abgrenzung zwischen z.B. PLS und Lyme-Borreliose im Spätstadium (also persistierende Infektion durch Bb und resultierende Lyme-Borreliose im Spätstadium) liegt nicht vor. Überdies ist zu beachten, dass die Hypothese PLS ihrerseits auf einer Hypothese beruht, dass nämlich eine antibiotische Behandlung nach Standard (also Empfehlungen der nationalen und internationalen Fachgesellschaften) die Beseitigung der Lyme-Borreliose garantiert. Tatsächlich wird selbst in den Leitlinien ein solcher Zusammenhang in Einzelfällen verneint; entscheidend ist jedoch die umfangreiche Literatur, die eine Persistenz der Lyme-Borreliose nach vermeintlich adäquater antibiotischer Behandlung belegt, d.h. das Spätstadium der Lyme- Borreliose geht nach antibiotischem Therapieversagen mit einer persistierenden Infektion einher). 

Normsetzung im Gesundheitswesen –Erarbeitung und Qualität von medizinischen Leitlinien

 

(Bericht nach Systematik des Nationalen Integritätssystems (NIS) durch die Arbeitsgruppe Gesundheitswesen von Transparency International Deutschland e.V.) - Epikritische Zusammenfassung von W. Berghoff 

 

Im Gegensatz zu staatlich organisierten Leitlinienprogrammen in anderen Ländern, erfolgt die Entwicklung von Leitlinien in Deutschland nach dem Prinzip der Subsidiarität, meist (ehrenamtlich) durch medizinische Fachgesellschaften, ggfs. in Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen und anderen Gesundheitsberufen.

 

Leitlinien sind für Ärzte rechtlich nicht bindend.

 

(Dagegen) können Leitlinien erheblichen Einfluss auf gerichtliche Entscheidungen haben.

 

Medizinische Leitlinien werden in Deutschland durch multiple Institutionen, Organe und unterschiedliche Interessensgruppen beeinflusst.

 

Die Leitlinien in Deutschland sind bei Zugrundelegung von Qualitätskriterien (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)) mangelhaft.

 

Eine gesetzliche Grundlage zur Erstellung von medizinischen Leitlinien ist nicht vorhanden.

 

Die Entwicklung von Leitlinien erfolgt durch ehrenamtliche Sachverständige und ist unkontrollierten Einflussnahmen durch Mittelgeber und Interessensgruppen ausgesetzt.

 

Die Kompetenz der Sachverständigen (Leitlinienautoren) hat keine gesetzliche Grundlage.

 

Nach Beurteilung von Leitlinienwatch.de liegen nur bei 12% der Leitlinien keine relevanten Interessenskonflikte vor.

 

Für die Erstellung von Leitlinien gibt es keine klaren Festlegungen im Hinblick auf „Evidenz“ (insbesondere im Hinblick auf die Literatur).

 

Es gibt keine gesetzliche Regelung, dass Leitlinienautoren über ihr Handeln Rechenschaft ablegen müssen.

 

Es gibt keine rechtliche Regelung, die eine Aufsicht über Sachverständige regelt. Leitlinien werden im Konsensusverfahren („Delphi-Verfahren“) erstellt.

 

Bei Veröffentlichung in medizinischen Fachzeitschriften erfolgt ein „Peer-Review“- Verfahren.

 

„Peer-Review“-Verfahren sind nicht standardisiert und es gibt keine Regeln für die Auswahl von „Peer-Review“-Experten.

 

Leitlinien werden nicht grundsätzlich durch „Clearing“-Verfahren (z.B. Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) oder das Institut für Qualität und Wissenschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)) bewertet.

 

Aktuell führt das Bundesministerium für Gesundheit eine Untersuchung zur Umsetzung von Leitlinien durch, nicht jedoch zu deren Erstellung / Qualität.

 

Gerichte beurteilen die Qualität von Gutachten, jedoch nur selten die Qualität von Leitlinienautoren (d.h. Qualität der publizierten Leitlinien, Anm. d. Verf.) und Gesellschaften.

 

Im Hinblick auf die Erstellung von Leitlinien fehlt es aktuell an Problembewusstsein von Ärzteschaft und medizinischen Fakultäten sowie an gesetzlichen Regelungen (z.B. zur Erstellung oder juristischen Relevanz von Leitlinien). Leitlinienautoren sollten durch kompetente Gremien berufen werden (z.B. ÄZQ, G-BA, IQWiG).

 

Gerichte und Kostenträger berücksichtigen Leitlinien in vielen Fällen als Einschätzungs- oder Entscheidungsgrundlage. Es ist zu fordern, dass beide Akteure nur Leitlinien heranziehen, die nach den o.g. Qualitätskriterien (Überprüfung durch kompetente Gremien) erstellt wurden.

Studies that report unexpected positive blood cultures for Lyme borrelia – are they valid?

Wormser GP, Shapiro ED, Strle F. Diagn Microbiol Infect Dis 2017; 89(3):178-181. 

 

Die Publikation befasst sich mit der Validität von drei Studien, die über den Nachweis von Borrelia burgdorferi mittels Kultur bei einer erheblichen Zahl der untersuchten Patienten berichten. Ein Hinweis, dass es sich um Patienten mit nicht behandelter Lyme-Borreliose im Frühstadium handelte, enthält die Publikation nicht. In zwei Studien waren die Patienten intensiv antibiotisch behandelt worden, bevor die kulturellen Untersuchungen erfolgten. Eine kritische Durchsicht der Publikation legt nahe, dass die Daten nicht valide sind. Entsprechend konnten zwei nachfolgende Studien das Ergebnis einer der Studien nicht bestätigen. Eine weitere Studie durch das CDC (Centers for Disease Control and Prevention) kam zu dem Schluss, dass die Kulturen verunreinigt waren. Wenn die biologische Plausibilität, Borrelien im Blut kulturell nachzuweisen, extrem niedrig ist, sollten entsprechende Studien eine besonders hohe Evidenz haben. (Anm. d. Verf.: Die von den Autoren angenommene Kontamination von Blutproben durch Borrelia burgdorferi ist eine nicht plausible Argumentation).

The novel Lyme borreliosis vaccine VLA15 shows broad protection against Borrelia species expressing sic different OspA serotypes. 

Comstedt P, Schüler W, Meinke A, Lundberg U. PLoS One 2017; 12(9):e0184357. 

 

In vorausgehenden Untersuchungen wurde gezeigt, dass eine Vaccine gegen OspA zu Immunität gegen Borrelien bei Mäusen führte. Die Vaccine ist wirksam gegen B. burgdorferi, B. afzelii, B. garinii und B. bavariensis. Die Daten versprechen eine erfolgreiche Entwicklung einer Impfung mit VLA15 (Vaccine gerichtet gegen OspA).

Clinical association: Lyme disease and Guillain-Barré syndrome. 

Patel K, Shah S, Subedi D. Am J Emerg Med 2017; 35(10):1583.e1-1583.e2. 

 

Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine lebensbedrohliche Erkrankung. Die Assoziation mit Lyme-Borreliose ist ungewöhnlich. Einzelfall. Behandlung mit Immunglobulin und Ceftriaxon führten zur Beseitigung des Guillain-Barré-Syndroms.

Lyme neuroborreliosis: do we treat according to guidelines? 

Lorentzen AR, Forselv KJN, Helgeland G, Salvesen RE, Sand G, Flemmen HO, Bo MH, Nordaa L, Roos AK, Jim MW, Owe JF, Nyquist KB, Schüler S, Eikeland R, Mygland A, Ljostad U. J Neurol 2017; 264(7):1506-1510. 

 

Entsprechend der norwegischen Leitlinie zur Lyme-Neuroborreliose ist im Frühstadium die Effizienz oraler und intravenöser Antibiotika gleichwertig. Die Behandlungsdauer der Lyme-Neuroborreliose im Frühstadium (ohne Encephalitis oder Myelitis) sollte laut Leitlinie zwei Wochen betragen. Zudem wird empfohlen, eher eine orale antibiotische Behandlung durchzuführen wegen geringerer Kosten und geringerer Risiken. In der retrospektiven Studie im Zeitraum 2007 bis 2013 wurden 253 Patienten befragt. Dabei ergaben sich folgende Informationen: Behandlungsdauer betrug bei 3% eine Woche, bei 32% zwei Wochen, bei 25% drei Wochen, bei 48% vier Wochen, bei 5% fünf Wochen, bei 12% sechs Wochen oder mehr; bei 6% war die Behandlungsdauer unklar. Orale Behandlung bei 30%, intravenöse Behandlung bei 44%. Behandlung mit oralen und intravenösen Antibiotika gleichzeitig 27%. Es besteht eine erhebliche Lücke zwischen den evidenzbasierten Empfehlungen und der Behandlung in praxi bei der LNB in Norwegen. (Anm. d. Verf.: Die Publikation enthält keine Daten über den Krankheitsverlauf nach behandelter Lyme-Neuroborreliose im Frühstadium).

Suicide and Lyme and assoiciated disease. 

Bransfield RC. Neuropsychiatr Dis Treat 2017; 13:1575-1587. 

 

Auf der Basis einer indirekten Kalkulation beruhen 1.200 Suizide / Jahr in den USA auf Lyme-Borreliose und Coinfektionen. Diese Zahl sollte von den zuständigen Institutionen genauer analysiert werden.

T2 Magnetic Resonance Assay-Based Direct Detection of Three Lyme Disease- Related Borrelia Species in Whole-Blood Samples.

Snyder JL, Giese H, Bandoski-Gralinski C, Townsend J, Jacobson BE, Shivers R, Schotthoefer AM, Fritsche TR, Green C, Callister SM, Branda JA, Lowery TJ. J Clin Microbiol 2017; 55(8):2453-2461. 

 

Mittels T2 Magnetresonanz lässt sich die Menge an Borrelia-DNA vergrößern. Der Nachweis wird bei dieser Methode positiv bei 5 Zellen / ml Blut. Auch bei Patienten erwies sich diese Methode als sehr sensitiv.

The cost of Lyme borreliosis. 

van den Wijngaard CC, Hofhuis A, Wong A, Harms MG, de Wit GA, Lugnér AK, Suijkerbuijk AWM, Mangen MJ, van Pelt W. Eur J Public Health 2017; 27(3):358-547. 

 

In 2010 führten Zeckenstiche und Lyme-Borreliose in den Niederlanden zu Kosten von EUR 19,3 Mio. Die Kosten entfielen zu 37% auf das disseminierte Frühstadium und zu 27% auf das Spätstadium, 22% auf Zeckenstiche und 14% auf Erythema migrans. Die Kosten für den Einzelfall betrugen bei der disseminierten Lyme-Borreliose im Frühstadium und bei der Lyme-Borreliose im Spätstadium EUR 5.700,00. Die finanzielle Belastung infolge Lyme-Borreliose ist also erheblich. Zukünftige Forschung sollte sich auf Prävention richten.

Steroid use in Lyme disease-associated facial palsy is associated with worse long-term outcomes.

Jowett N, Gaudin RA, Banks CA, Hadlock TA. Laryngoscope 2017; 127(6):1451-1458.

 

Retrospektive Studie. Bei Fazialisparese im Rahmen der Lyme-Borreliose wird bei Einsatz von Steroiden (zusammen mit Antibiotika) die Prognose ungünstiger. Eine Behandlung mit Steroiden bei der LB-Fazialisparese sollte daher unterbleiben.

Predicting the risk of Lyme borreliosis after a tick bite, using a structural equation model.

Hofhuis A, van de Kassteele J, Sprong H, van den Wijngaard CC, Harms MG, Fonville M, Docters van Leeuwen A, Simöes M, van Pelt W. PLoS One 2017; 12(7):e0181807. 

 

Übersichtsarbeit über 3.525 Zeckenstichberichte und 3 umfassende prospektive Studien über das Übertragungsrisiko der Lyme-Borreliose beim Menschen. Das Risiko nach einem Zeckenstich an Lyme-Borreliose zu erkranken beträgt 2,6%. Das Risiko ist abhängig von der Ansaugdauer. Nach einer Ansaugdauer unter 12 Stunden betrug die Infektionsrate 2%, nach 4 Tagen 5,2%. Das Ausmaß des Infektionsrisikos kann auf der Basis des Ausmaßes der Zeckenansaugung, der geschätzten Ansaugzeit und den Nachweis von Bb mittels PCR abgeschätzt werden.

Cutaneous Lyme borreliosis: Guideline of the German Dermatology Society. 

Hofmann H, Fingerle V, Hunfeld KP, Huppertz HHI, Krause A, Rauer S, Ruf B, Consensus group. Ger Med Sci 2017; 15:Doc14. 

 

Es handelt sich um die Leitlinien „Kutane Manifestationen der Lyme-Borreliose“ der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG). Ziel der Leitlinie sind Empfehlungen zur Bestätigung einer klinischen Diagnose und Empfehlungen für eine Stadium-abhängige Labordiagnostik (serologische Untersuchungen auf IgM und IgG im zwei-Stufen-Test (ELISA, Immunoblot). Empfohlen wird zudem ein zurückhaltender Gebrauch von Erregernachweis mittels PCR und Kultur. Die Empfehlungen beziehen sich auf die Therapie des Erythema migrans (lokalisiertes Frühstadium), des Erythema chronicum migrans und des Borrelien-Lymphozytoms. Weiteres Ziel der Leitlinien sind die Behandlungsempfehlung im frühen disseminierten Stadium (multiple Erythemata migrantia, grippeartige Symptome) und die Behandlung des Spätstadiums (Acrodermatitis chronica atrophicans mit oder ohne neurologische Manifestationen). 

 

(Anm. d. Verf.: Die in den Leitlinien enthaltene Formulierung „ein negativer Antikörpernachweis schließt bei längerer Krankheitsdauer beim immungesunden Patienten eine Lyme-Borreliose weitestgehend aus“, ist unzutreffend. Die Behauptung der DDG, dass bei der Lyme-Borreliose im Spätstadium die Serologie in der Regel positiv sei, stützt sich auf drei methodologische Studien mit kleiner Fallzahl (Hansen und Asbrink (1989), Wilske et al (1993), Göttner et al (2005)). Das Ziel der Studien war ausschließlich die Verbesserung serologischer Nachweismethoden. Die Studien dienten nicht zur Feststellung der Häufigkeit von Seropositivität bzw. Seronegativität bei der Lyme-Borreliose im Spätstadium. Tatsächlich ist durch umfangreiche Literatur belegt, dass die Lyme-Borreliose im Spätstadium bei etwa 30% der Patienten mit Seronegativität einhergeht. In vielen dieser Studien wurde die Persistenz der Infektion und der Krankheit mittels Nachweis des Krankheitserregers belegt. – Die Behandlung der Acrodermatitis chronica atrophicans ist durch Literatur nicht ausreichend belegt. Es gibt keine evidenzbasierten Studien zu dieser Problematik. In Berichten mit kleiner Fallzahl war die antibiotische Behandlung der ACA oft erfolglos. – Die Behauptung in der Leitlinie, dass ein isolierter positiver IgM-Nachweis gegen eine Spätmanifestation der Lyme-Borreliose spricht, lässt sich durch Literatur nicht belegen. Die Behauptung, dass die ACA durch eine orale Behandlung mit Doxycyclin oder Amoxicillin über 30 Tage in der Regel ausreicht, ist durch Literatur nicht belegbar. Die zitierte Literatur (Aberer, Breier et al (1996), Dattwyler, Luft et al (1997)) besagt lediglich, dass die Effizienz der oralen antibiotischen Behandlung mehr von der Behandlungsdauer als von der Art des Antibiotikums abhängt. Überdies sei die Effizienz von Ceftriaxon bei ACA in weiteren Studien zu klären. Die zitierte Literaturstelle Dattwyler, Luft et al (1997) befasst sich nicht mit der ACA, sondern mit der antibiotischen Behandlung des disseminierten Frühstadiums).